"Brauche ich für Sanierungsarbeiten einen Architekten?"
Der Begriff Architekt kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie «oberster Handwerker, Baukünstler». Daraus sind seine auch heute noch aktuellen Aufgaben der Bauleitung und der Projektplanung ersichtlich. Allerdings umfasst sein Pflichtenheft noch sehr viel mehr: Bauherrenberatung, Verkehr mit Behörden, Vergabe von Arbeiten, Leitung und Garantiearbeiten etc. Da ein solcher Fachmann natürlich etwas kostet, fragt sich vorab, ob und wann man überhaupt einen Architekten braucht.
Wer ein Neubauprojekt (z.B. den Bau eines Einfamilienhauses oder einer Werkhalle) in Angriff nimmt, erachtet es als selbstverständlich, dafür einen Architekten beizuziehen. Kaum ein Bauherr ist selbst in der Lage, seine Bedürfnisse in ein bewilligungsfähiges Projekt umzusetzen, alle gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen, Pläne und Berechnungen zu erstellen, Arbeiten auszuschreiben, Handwerkerofferten zu beurteilen und die Ausführung des Bauprojekts terminlich und technisch zu überwachen.
Stehen dagegen «nur» Sanierungsarbeiten an, so entscheidet sich mancher, auf den Beizug eines Architekten zu verzichten und sich diese Kosten zu sparen. Bei einfachen Vorhaben wie etwa dem Neuanstrich einer Fassade dürfte das meist vertretbar sein, vor allem wenn man einen Fachbetrieb beauftragt: Dieser wird wissen, ob es seine Baubewilligung braucht und einem ggf. bei der Einholung behilflich sein; er wird auch prüfen, ob ein Unterhaltsanstrich ausreicht oder ob es weitergehende Massnahmen (vielleicht bis hin zum Ersatz der Fassade) braucht.
Sobald man jedoch mehrere Bauteile sanieren will, kann es schnell passieren, dass man sich als Bauherr überfordert sieht: Wer den Estrich ausbaut, das Dach saniert und die Fassade erneuert, gerät – oft unwissentlich – in den Bereich von zahlreichen Vorschriften: Baubewilligung, Energievorschriften, Feuerschutz, etc. Auch technisch gibt es Zusammenhänge, die berücksichtigt sein wollen: Neue, gut isolierende, dichte Bauteile einfach in ein altes Haus einzubauen, kann schwerwiegende Bauschäden (z.B. Kondens- und Schimmelbildung) verursachen. Das Herausbrechen von Wänden kann statisch problematisch sein.
Wenn mehrere Handwerker beauftragt werden, müssen diese terminlich und technisch koordiniert und überwacht werden. In solchen Fällen auf einen Architekten zu verzichten birgt grosse Risiken: Wenn nämlich in einem Schadenfall ein Fehler dem Bereich zugeordnet wird, den ansonsten der Architekt hätte abdecken müssen, wird dieser Fehler dem Bauherrn angelastet. Der Verzicht schützt somit nicht vor Verantwortung und das eingesparte Honorar wird meist nicht reichen, um den Schaden zu decken.
Oft wird übersehen, dass man einen Architekten nicht nur entweder «voll» beziehen oder ganz auf ihn verzichten muss: Seine Aufgaben können vielmehr vertraglich auf das Projekt zugeschnitten werden: je nachdem, was der Bauherr und die beteiligten Handwerker beisteuern können, wird sein Auftrag mehr oder weniger umfassen. Kehrseite der Medaille: je mehr Aufgaben des Architekten auf andere Beteiligte verschoben werden, desto mehr wird im Schadenfall ein Streit entstehen, wer für welchen Bereich zuständig gewesen sei. Klare Abgrenzungen sind also Pflicht.
Fazit: Das Bauen und Sanieren ist heutzutage technisch anspruchsvoller und wird von vielen Vorschriften geprägt. Wer auf den Beizug eines Architekten verzichtet, mag zunächst eine Kosteneinsparung erzielen. Mit Blick auf die Risiken, die man damit eingeht, ist – von ganz einfachen Fällen mal abgesehen – von einem gänzlichen Verzicht abzuraten.
Der Immobilien-Experte Daniel Enz
zoller & partner Immobilien-Management AG, 9500 Wil
Quelle: St. Galler Tagblatt, 16.11.2019